Spoerri: „Als ich vor etwa acht Jahren in Oberösterreich zwei Wochen in Kur war, fand ich in Antikläden und Flohmärkten solche Tücher und kaufte eine ganze Menge davon, ohne eigentlich zu wissen, warum: Diese naive Gläubigkeit und die kritiklose Hoffnung – aber auch die rührende, zeitraubende Ergebenheit, die diese „Verschönerung“ des „Heim und Herds“ erforderten – erbarmten und belustigten mich. Holprige Reime, verlogene Behauptungen. Wenn alle Künste untergeh’n, wird wohl auch die Kochkunst nicht mehr edel sein – man frisst dann, was man hat, wie die Schweine die Schwänze der Ferkel. Und immer beruhigt man sich mit Gott. Und das liebe Jesulein ist in meinem Herzen ganz allein, gibt einem zweimal so viel, weiß alles, hilft immer, segnet ununterbrochen, lässt Englein kommen, die in der Nacht mit dir in den Träumen spielen und Wacht halten; es hat alles gebaut, und ist dabei in einem Stall geboren. Also habe ich all diese Sprüche auseinandergeschnitten und sie nach Substantiven, Verben, Adjektiven und so weiter geordnet. Ganze Stapel von Gott, Maria und Jesu kamen da zusammen.“
„Dieser Haufen von Wörtern, ausgebreitet auf fünf bis sechs Quadratmeter Tisch, war mein Puzzle-Spielplatz, zu dem ich immer wieder zurückkehrte, das ganze letzte Jahr über, bis jetzt. Anders als bei einem Text, den man schreibt, und für den man sein ganzes Vokabular zur Verfügung hat, spielt man bei dieser Textmethode wirklich wie bei einem Puzzle; es dauert manchmal Stunden, bis man den Satz heraushat, und man kann ihn sich nicht einmal vorher ausdenken; er gebiert sich sozusagen aus sich selbst heraus. Man fängt mit einem anregenden Wort an, fügt weitere hinzu, verwirft sie und hat schließlich einen Satz, aus dem das Initialwort vielleicht sogar wieder verschwunden ist.“
„Und nun zu Silke Eggl, die eigentlich diese ganze Wortlawine ausgelöst hat, als sie mir erzählte, sie sei nicht nur Köchin, wie ich zuerst glaubte, sondern Schneidermeisterin, und sticken könne sie auch, eigentlich alles. Da holte ich den ganzen Haufen Tücher, wir breiteten sie aus und begannen die Wörter auszuschneiden. Und da sind sie nun; exakt hundert ‚fadenscheinige Orakel‘, wie Barbara Räderscheidt sie nannte.“
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