Ein Roman, der eine ungewöhnlich attraktive und facettenreich erzählte Galerie von Typen, Charakteren, Sonderlingen und Genies ausstellt – alle irgendwie miteinander verwandt, und doch ist jedes Kapitel des Buchs eine eigene kleine Einheit.
Balkanexpress“ ist bereits der zweite Roman, den Liljana Pandeva beim Wieser Verlag veröffentlicht. Wieder ist Ich-Erzählerin eine junge Makedonin, die zwar ein Hochschuldiplom besitzt, aber keinen Job hat und diesen in der Schweiz zu finden hofft. Jetzt landet die balkanische Städterin, mehr balkanisch als urban, in Schweizer Weltstädten, wo sie mit Charme und Unbefangenheit zurechtkommt. Eine akademische Tätigkeit sucht sie jetzt gar nicht erst, denn ihre Absichten sind einfacher und darum leichter zu realisieren. Als Erstes wünscht sie ein auskömmliches Einkommen, das sie in der Gastronomie findet. Zweitens will sie ihre Französischkenntnisse auf Hochglanz bringen, was ihr auch gelingt. Und drittens sucht sie „Nahrung“ für ihre stets an Menschen und Schicksalen interessierte Neugier. Die interessieren sie und regen sie an, gelegentlich unbegrenzt, wenn sie etwa vom Aussehen eines Behinderten zu einer Parabel auf Stevensons „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ kommt.
Schauplatz des Romans ist die (französische) Schweiz, was bemerkenswert ist. Die Schweiz hat zwar einen exorbitant hohen Ausländeranteil (1,9 Mio. Ausländer unter 7,9 Mio. Einwohnern), aber dieser Umstand hat nur sehr selten einen literarischen Niederschlag gefunden. Liljana Pandeva holt hier etwas nach, sei es mit kleinen Sticheleien, sei es mit erzkomischen Storys, in denen Schweizer Ordnungsfanatismus zu einem hohen Lottogewinn führt. („Sie sind schon komisch, diese Schweizer. Über sich selber geben sie nichts preis, aber über andere wollen sie absolut alles erfahren.“)
Wie schon bei früheren Büchern von Liljana Pandeva sind auch bei dem „Balkanexpress“ Sprache und Darstellungsweise das eigentliche Anziehungsmoment. Bei dieser Autorin weiß der Leser nie, „wie es weitergehen wird“, denn sie hat die Hände voll sprachlicher und gestalterischer „Joker“, die sie im gegebenen Moment ausspielt, um Handlungen und Dialoge in neue und unerwartete Richtungen zu dirigieren.
In diesem Land finden sich selbst Analphabeten zurecht, sie müssen nur den Zeichen folgen.
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