ca. 160 Seiten, gebunden, Lesebändchen
EUR 21,00 / sfr 30,50

In der klaren Dunkelheit war die Landschaft vollständig offen, die Bergkämme lagen in Mondschein getaucht, und in der Ferne strahlten die winzigen Lichter der Küste. Auch Perinaldo, auf einem der Hügel vor der Küste thronend, leuchtete mit seinen Häusern. Sibylle schenkte sich den Rest des Tees in die Tasse, und die Stimme einer Eule wurde laut. Sie nahm einen Schluck, sah zur Ruine hinauf und fühlte sich daran erinnert, wie sie einmal in der Nacht aus ihrem Bett gestiegen und in den Garten gelaufen war, um Mutter anzuflehen, endlich nach Hause zu kommen. Nach Mutters Tod bleibt sie allein: Sie arbeitet in San Remo und kommt doch stets nach Bajardo zurück.

Das ligurische Bergdorf Bajardo ist Sibylles Heimat. Naturblond und blauäugig ist sie ihrer österreichischen Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten, und sie hat die deutsche Sprache, die Mutter ihr beigebracht hat, nicht verlernt. Nach Mutters Tod bleibt sie allein; sie arbeitet in San Remo, dennoch kommt sie nach Bajardo stets zurück. Eines Tages verliebt sie sich in einen Monegassen, doch sie fühlt sich in seiner Heimat fremd. Schon bald wird sie von einem ähnlichen Schicksal heimgesucht wie einst ihre Mutter.

Mit seinen Erzählungen erweist sich Stanislav Struhar als Meister der leisen Töne und der präzisen Beobachtung, der auch in Liebesdingen genau um die Bedeutung des Wartens auf den richtigen Augenblick weiß.

Stanislav Struhar, 1964 in Gottwaldov (heute Zlín) geboren, versagte sich dem Anpassungsdruck des tschechoslowakischen Regimes in den 1980er Jahren. 1988 floh er schließlich mit seiner Frau nach Österreich, doch die Zusammenführung mit dem in der Tschechoslowakei gebliebenen Kind gelang erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Seit jungen Jahren schreibt Struhar Gedichte und Prosa, zuerst noch in tschechischer Sprache, bald aber in deutscher Sprache. Sein bisheriges literarisches Schaffen wurde durch Stipendien unterstützt und erhielt zahlreiche Anerkennungen. Stanislav Struhar lebt heute in Wien. Zuletzt bei Wieser: Fremde Frauen (zwei Erzählungen, 2013), Das Gewicht des Lichts (Roman, 2014, erschien soeben auch auf Tschechisch).

Rezensionen & Reaktionen

Pressestimmen

Der Sprachverlust und die Sprache als verbindendes Element zur Heimat sind zentrale Themen in den Werken Struhars … Der Text ist still, melancholisch und vor allem unaufdringlich.
Claudia Gschweitl, Ex libris – Ö1

Stanislav Struhar weiß, was es heißt, fremd zu sein …
Heute schreibt er auf Deutsch und meidet plakative Grellheit.
Anton Thuswaldner, Salzburger Nachrichten

ORF České Ozvěny | Slovenské Ozveny vom 14. Juni 2015 (Video in der ORF TVthek)

ORF Radio Österreich 1: Ex Libris vom 19. April 2015